Let‘s play, let‘s learn

Let‘s play, let‘s learn 👈👈Down­load als PDF hier 🙂 

Wie Schülerinnen & Schüler mit Smartphones, Tablets & Co. informell Englisch lernen (Pre Print)

Uhl, J. (im Druck): Let‘s play, Let‘s learn! Wie Schü­lerin­nen und Schüler informell mit Smart­phones, Tablets & Co. Englisch ler­nen. In J. Bünd­gens-Kosten, & P. Schild­hauer (Hrsg.), Englis­chunter­richt in ein­er dig­i­tal­isierten Gesellschaft. Wein­heim und München: Beltz-Juventa.

Wenn mor­gens an deutschen Schulen „Good morn­ing, boys and girls!“ erklingt und der Englis­chunter­richt begin­nt, mag das für viele Schüler*innen an diesem Tag nicht die erste Begeg­nung mit der Fremd­sprache sein – denn dass diese zumin­d­est schon ein­mal kurz ihr Smart­phone eingeschal­tet haben, um beispiel­sweise ihren Insta­gram-Feed zu check­en oder nachzuse­hen, ob YouTu­ber XY irgendwelche News hat ver­laut­en lassen, die sie mit ihren Klassenkamerad*innen direkt besprechen müssen, ist eben­so wahrschein­lich wie der Umstand, dass ihnen diese Inhalte auf Englisch präsen­tiert wer­den. Informelle Sprach­lern­begeg­nun­gen mit der Fremd­sprache sind z. T. fest im medi­en­durch­drun­genen All­t­ag von Kindern und Jugendlichen ver­ankert, nicht nur auf­grund der Stel­lung der Lin­gua Fran­ca, son­dern zusät­zlich wegen ihres glob­al hoch fre­quen­tierten Auftretens in den Bere­ichen Medi­en und Tech­nolo­gie. Bei welchen Gele­gen­heit­en diese beson­ders häu­fig vorkom­men, wie und was junge User*innen dabei ler­nen und welche Impulse für den for­malen Bil­dungskon­text von diesen Erken­nt­nis­sen aus­ge­hen, möchte ich in diesem Beitrag, der die rel­e­van­testen Ergeb­nisse mein­er Dis­ser­ta­tions­forschung (Uhl 2020) zusam­men­fasst, vorstellt. Zuvor wer­den jedoch zunächst exem­plar­isch einige der vielfälti­gen Poten­ziale mobil­er Tech­nolo­gien für informelles Fremd­sprachen­ler­nen aufgezeigt.

1. Mobile Lan­guage Learn­ing: Mobile Tech­nolo­gien als Ressourcen für Fremd­spracher­werb (FSE) und Fremd­sprachen­ler­nen (FSL)

Englisch als Fremd­sprache, die häu­fig gar nicht mehr so fremd ist, zu ler­nen ist spätestens, seit­dem unsere Schüler*innen die kleinen mul­ti­me­di­alen Alleskön­ner namens Smart­phones in ihren Hosen­taschen mit sich führen – und dies tun sie so gut wie alle – kein Monopol schulis­ch­er Bil­dung mehr. In ihrer Medi­enkon­ver­genz mit dem World Wide Web bieten diese beson­ders für informelles Ler­nen vielfältige Poten­ziale, sei es nun, wenn sie sie inten­tion­al dafür ein­set­zen, ihre Kom­pe­ten­zen in der Fremd­sprache zu schulen, oder wenn sie bei der freizeito­ri­en­tierten Medi­en­nutzung, z. B. beim Gam­ing, beim Stream­ing von Serien oder dem Lesen von Insta­gram-Sto­ries, ganz neben­bei und völ­lig ohne Inten­tion inzi­den­tell  oder impliz­it lernen.

1.1 Authen­tis­che Sprach­lern­er­fahrun­gen in virtuellen Räumen

Durch ihre mul­ti­me­di­alen, inter­ak­tiv­en und ver­net­zten Eigen­schaften eröff­nen mobile Tech­nolo­gien ihren Nutzer*innen virtuelle, die „Real­ität“ erweit­ernde Räume für indi­vidu­elle, selb­st­ges­teuerte und soziale Sprach­lern­er­fahrun­gen, die aus spracher­werb­s­the­o­retis­ch­er Per­spek­tive in viel­er­lei Hin­sicht als ide­ale Umge­bun­gen – sowohl für Spracher­werb, als auch zum Ler­nen (vgl. hierzu Krashen 1982) – betra­chtet wer­den kön­nen: Dort tre­f­fen diese zum einen auf eine unge­heuer dichte Auswahl an authen­tis­chem Sprach­in­put aus gle­icher­maßen authen­tis­chen Medi­en, wobei ihnen zugle­ich unter­schiedliche Tools zur Inter­ak­tion mit diesem zur Ver­fü­gung ste­hen. Zum anderen schaf­fen die ver­net­zten Struk­turen der Tech­nolo­gien einen glob­alen sozialen Kon­text, in dem User*innen miteinan­der inter­agieren, kom­mu­nizieren, kooperieren und kollaborieren.

Der­art beschaf­fene Ler­numge­bun­gen bieten opti­male Voraus­set­zun­gen für FSE, für welchen beson­ders der Sprach-Input entschei­dend ist (vgl. Bahrani/Tam/Nekoueizadehet 2014, S. 1714), den Lerner*innen in informellen Set­tings vor­wiegend aus dem Kon­sum authen­tis­ch­er Medi­en sowie der Inter­ak­tion mit anderen in der Ziel­sprache beziehen. Bere­its auf­grund der jew­eils zugrun­deliegen­den, inter­essen- oder bedürfnis­ges­teuerten Inten­tion der unter­schiedlichen Aktiv­itäten der freizeito­ri­en­tierten Medi­en­nutzung ist authen­tis­ch­er Input, wie Kinder und Jugendliche ihm v. a. in den Bere­ichen Unter­hal­tung, Kom­mu­nika­tion und Infor­ma­tion begeg­nen, opti­maler Input: Sie browsen das Web oder Social Media und lesen, was sie inter­essiert, spie­len – oft mit oder gegen Peers bzw. in ein­er glob­alen Com­mu­ni­ty – Games und strea­men Serien, die sie fes­seln und deren näch­ste Folge sie kaum erwarten kön­nen, anzuse­hen. 

Neben solchen eher rezep­tiv­en Aktiv­itäten, die die Schüler*innen bei ihrer Medi­en­nutzung ausüben und bei denen Fremd­spracher­werb im Zusam­men-hang mit dem Kon­sum authen­tis­chen Inputs stat­tfind­et, find­en sich – allerd­ings (noch) deut­lich weniger häu­fig – auch solche, bei denen diese ihre rein kon­sum­ierende Hal­tung zugun­sten ein­er neuen, erst durch mobile ver­net­zte Medi­en ent­stande­nen Rolle ver­lassen: Deren medi­ale und soziale Struk­turen sowie die zahlre­ichen, durch sie gegebe­nen Möglichkeit­en, weit­er mit Inhal­ten und anderen Nutzer*innen zu inter­agieren, lassen User*innen zu soge­nan­nten „Pro­dusern“ (Seipold 2012, S. 190) oder auch „Prosumer*innen“ wer­den. Inter­ak­tion mit und über ver­net­zte Medi­en, bspw. in Sozialen Net­zw­erken, zeich­net sich aus durch Offen­heit, was u. a. Wege der Auswahl, Par­tizipa­tion und Selb­st­s­teuerung. Teilt man z. B. einen Social-Media-Post, den man zwar nicht selb­st ver­fasst, aber mit einem Kom­men­tar oder Link verse­hen hat, mit dem eige­nen Net­zw­erk oder führt ihn mit weit­eren Inhal­ten zusam­men, z. B. in einem Blog, entste­ht nicht nur „neuer“, soge­nan­nter User-gen­er­at­ed Con­tent: Die „nutzer­gener­ierte[…] Pro­duk­tion von Inhal­ten“ (ebd., S. 188) erschafft zugle­ich erweit­erte oder gar neue, indi­vidu­ell und sub­jek­tiv hergestellte Kon­texte, User-gen­er­at­ed Con­texts (vgl. ebd., S. 188ff.). Vor dem Hin­ter­grund eines Ver­ständ­niss­es von Ler­nen als Aneig­nung lassen diese sich als Learn­er-gen­er­at­ed Con­texts begreifen, die Lerner*innen in ihrem indi­vidu­ellen Prozess des Mean­ing Mak­ing erschaf­fen, wenn sie situ­iert selb­st Bedeu­tung her­stellen (vgl. ebd., S. 179). Zudem haben mobile Tech­nolo­gien wie Smart­phones ihre Nutzer*innen auch dazu „emanzip­iert“, selb­st zu Produzent*innen von Medi­en und darüber trans­portierte Sprache zu wer­den. Zahllose, oft kosten­lose Apps, liefern nun Möglichkeit­en, wie sie son­st nur pro­fes­sionelle Medi­engestal­ter mit entsprechen­der Hard- und Soft­ware sowie Nutzungskom­pe­tenz zur Ver­fü­gung hat­ten. Wenn Schüler*innen bspw. Tik-Tok, Snapchat- und Insta­gram-Videos in der englis­chen Sprache pro­duzieren, ob nun imi­tierend oder selb­st kreierend, sind dabei oft implizite Lern­prozesse involviert.

Im Fol­gen­den wird skizziert, wie sowohl Input- als auch Out­put-ori­en­tierte Aktiv­itäten unter Ver­wen­dung mobil­er Tech­nolo­gien aus fremd­sprach-erwerb­s­the­o­retis­ch­er Sicht verortet wer­den kön­nen. Auf­grund der deut­lich höheren Rel­e­vanz eher rezep­tiv­er Aktiv­itäten für Schüler*innen, die in der unter 2. vorgestell­ten Forschung sicht­bar wurde, liegt der Fokus entsprechend auf dem FSE durch authen­tis­chen Input.

 

1.2 Mobile Tech­nolo­gien als Träger bzw. Medi­um authen­tis­chen Inputs: das i + 1

Dass solch authen­tis­ch­er Sprach­in­put, wie er oben beschrieben wurde, für Fremdsprachenlerner*innen in sein­er Bewäl­ti­gung her­aus­fordernd ist, ste­ht außer Frage, doch auch oder eben ger­ade dieser Umstand macht ihn so wertvoll für den Erwerb fremd­sprach­lich­er Kom­pe­ten­zen, wie es bspw. Krashen (1982/2009) beschreibt (vgl. Krashen 2009, S. 9), auch wenn er dies nicht vor dem Hin­ter­grund gen­uinen Inputs tut: Sein­er Input-Hypothese zufolge find­et Spracher­werb beson­ders dann statt, wenn Ler­nende sprach­lichen Input ver­ste­hen, der etwas über ihrem eigentlichen Kom­pe­ten­zniveau liegt. Diesen um das Unbekan­nte erweit­erten Input fasst Krashen in der Formel i + 1, wobei Lerner*innen die noch unbekan­nten Struk­turen auf­grund deren kon­textuellen Erscheinens, mith­il­fe ihres Welt-wis­sens und durch Deu­tung par­alin­guis­tis­ch­er Infor­ma­tio­nen entschlüs­seln kön­nen (vgl. ebd., S. 21f.). Authen­tis­ch­er Input aus authen­tis­chen Medi­en enthält in sein­er natür­lichen Form eine Vielfalt von Struk­turen und bietet daher jedem Lern­er (ob indi­vidu­ell oder in ein­er Gruppe) das für ihn indi­vidu­ell notwendi­ge i+1, voraus­ge­set­zt, der „[u]nsequenced but nat­ur­al input“ (ebd., S. 68) ist aus­re­ichend com­pre­hen­si­ble, (vgl. ebd.) was für eine erfol­gre­iche Entschlüs­selung zen­tral ist: Krashen betra­chtet das Vorhan­den­sein von aus­re­ichend Com­pre­hen­si­ble Input sog­ar als „[…] the true cause of sec­ond lan­guage acqui­si­tion“ (ebd., S. 34) (vgl. ebd.), was gle­icher­maßen rezep­tive als auch sprach­pro­duk­tive Fähigkeit­en bet­rifft (vgl. ebd., S. 22). 

Dass der Input, mit dem jugendliche Fremdsprachenlerner*innen bei der Rezep­tion authen­tis­ch­er Medi­en kon­fron­tiert wer­den, über deren Kom­pe­tenz-niveau liegt, dürfte in den meis­ten Fällen zu erwarten sein. Ist er com­pre­hen­si­ble enough, so kön­nen beson­ders Unter­hal­tungsme­di­en wie Games und Videos sowie Kom­mu­nika­tion­s­me­di­en implizite Spracher­werbs-prozesse begün­sti­gen, die z. T. ger­adezu immer­siv­en Charak­ters sein dürften. Bedarf es dage­gen Maß­nah­men durch die Rezipient*innen, um den Sprach­in­put zu bewälti­gen, so stellen mobile Tech­nolo­gien Hil­f­s­mit­tel bere­it, mit denen sie diesem zu so viel Com­pre­hen­si­bil­i­ty ver­helfen kön­nen, wie es ihren indi­vidu­ellen Bedürfnis­sen entspricht. Auf diese beson­ders wertvollen Fea­tures wird im näch­sten Abschnitt noch einge­gan­gen, worauf die Erken­nt­nisse zu den vielfälti­gen informellen Sprach­lern­begeg­nun­gen mit dem Englis­chen, die Schüler*innen bei ihrer Medi­en­nutzung machen, folgen.

 

1.3 Mobile Tech­nolo­gien als Dif­feren­zierungstools zur indi­vidu­ellen Bewäl­ti­gung authen­tis­chen Inputs

In Zeit­en, in denen schulis­che Lern­grup­pen nicht zulet­zt auf­grund ihrer unter­schiedlichen informellen Lernge­wohn­heit­en bei oder durch ihre Medi­en­nutzung immer het­ero­gen­er wer­den, kann der Ein­satz mobil­er Tech­nolo­gien dazu beitra­gen, indi­vidu­ellen Lerner*innenbedürfnissen gerecht zu wer­den, nicht nur, aber auch im Sinne eben vorgestell­ter The­o­rie: Sie ermöglichen zugle­ich die Bere­it­stel­lung von authen­tis­chem Input sowie von Scaf­fold­ing Tools zu dessen anspruchsvoller Bewäl­ti­gung. Der Zugriff auf dig­i­tale Wörter­büch­er, Gram­matiken oder Enzyk­lopä­di­en sowie Such-maschi­nen im Inter­net unter­stützt Medi­en­nutzer sowohl bei rezep­tiv­en als auch pro­duk­tiv­en Aktiv­itäten. iBooks, sind bspw. mit ein- oder zweis­prachi­gen Wörter­büch­ern im Hin­ter­grund verknüpft, sodass die Bedeu­tung ein­er unbekan­nten Vok­a­bel durch Dop­pelk­lick gek­lärt wer­den kann, um sie daraufhin in einem indi­vid­u­al­isierten Vok­a­bel­heft zu spe­ich­ern. Auch die Möglichkeit­en des Stop­pens, Zurück­spu­lens oder der Geschwindigkeits-reg­ulierung bei audi­tiv­en oder audio-visuellen Medi­en, bei denen Unter­ti­tel das Ver­ständ­nis zusät­zlich unter­stützen kön­nen, ermöglichen eine indi­vidu­elle, bedürf­nis-ori­en­tierte Rezep­tion sowie die fokussierte Auseinan­der­set­zung mit Inhal­ten und Sprache – mit jedem Smart­phone lassen sich sowohl kürzere YouTube-Videos als auch län­gere Serien-Episo­den oder Filme in jed­wed­er Hin­sicht auf die jew­eili­gen Needs der Konsument*innen personalisieren.

Inwiefern Kindern und Jugendlichen die im Vor­ange­gan­genen erläuterten Poten­ziale mobil­er Tech­nolo­gien bei ihrer Medi­en­nutzung nun tat­säch­lich zugutekom­men, zeigen die im Fol­gen­den dargestell­ten Ergeb­nisse, die zunächst in ein­er Online-Befra­gung mit bay­erischen Gymnasiast*innen erhoben und dann in alters- und geschlechts­d­if­feren­zierten Grup­pen-diskus­sio­nen ver­tieft wur­den (vgl. Uhl 2020, S. 136–151). 

2. Informelle Sprach­lern­begeg­nun­gen mit dem Englis­chen von Kindern & Jugendlichen bei der Nutzung mobil­er Technologien

In Uhl (2020) habe ich Schüler*innen sowohl danach gefragt, wie sie mobile Tech­nolo­gien inten­tion­al ein­set­zen, um für die Schule oder unab­hängig davon informell Englisch zu ler­nen, als auch nach Aktiv­itäten ihrer freizeit­be­zo­ge­nen Medi­en­nutzung, bei denen sie auf die englis­che Sprache tre­f­fen und dabei inzi­den­tell oder impliz­it ler­nen. Zudem erfol­gte jew­eils eine Ein­schätzung der Befragten zu Lern­ef­fek­ten der einzel­nen Aktivitäten.

 

2.1 Let‘s learn: Nutzung zum inten­tionalen informellen Englischlernen

Während der zeit­gemäße Ein­satz mobil­er Tech­nolo­gien im schulis­chen Englis­chunter­richt noch immer eher ein Nis­chen­phänomen ist, nutzen Schüler*innen diese außer­halb des for­malen Kon­texts auf unter­schiedliche Weise hoch fre­quent. Unab­hängig von Alter und Geschlecht und häu­fig, ohne dass ihre Englischlehrer*innen dies über­haupt wis­sen, nehmen sie sowohl zur Ergänzung und Begleitung des Unter­richts, als auch unab­hängig davon, ihre Smart­phones zur Hand, um ihre Kom­pe­ten­zen in der Fremd­sprache zu schulen. 84% der Befragten (n = 463) tauschen sich mit ihren Smart­phones informell über den Englis­chunter­richt aus, v. a. schriftlich in Klassen- und Einzelchats des Mes­sen­gers What­sApp, wobei Mäd­chen und ältere Schüler*innen aktiv­er sind. Sie klären über diese Kanäle nicht nur organ­isatorische Fra­gen, son­dern besprechen auch Hausauf­gaben und Unter­richtsin­halte, tauschen Mate­ri­alien und Links aus und ler­nen zusam­men, gele­gentlich auch über Video-Call (vgl. Uhl 2020, S. 168–171). 

Der beson­dere Wert solch­er Hand­lung­sprak­tiken liegt v. a. darin, dass Lern­er durch die Schaf­fung solch­er „persönliche[r] und kontextualisierte[r] Infor­ma­tion­skanäle[…]“ (Specht/Ebner/Löcker 2013, o. S.) sowie Kom­mu­nika­tion­skanäle einen von der for­malen Organ­i­sa­tion unab­hängi­gen zusät­zlichen Lern­raum ein­richt­en, der das indi­vidu­elle, außer­schulis­che Ler­nen um eine soziale Kom­po­nente erweitert.

Beson­ders bedeu­tend ist allerd­ings, wie häu­fig Schüler*innen ihre mobilen Geräte gezielt ein­set­zen, um unter­schiedliche Kom­pe­ten­zen in der Fremd­sprache zu erweit­ern oder zu fes­ti­gen (vgl. Abb. 1): 

Vor allem die Schu­lung rezep­tiv­er Skills sowie der Gebrauch von Hil­f­s­mit­teln wie dig­i­tal­en Wörter­büch­ern, Online-Über­set­zern und dem Inter­net als Recherche-Instru­ment haben sich hier­bei als rel­e­vante informelle Hand­lung­sprak­tiken erwiesen. Dabei zeigen sich die Schüler*innen dur­chaus viel­seit­ig, was die Anwen­dung von Lern- und Arbeit­stech­niken ange­ht (vgl. Uhl 2020, S. 172ff.).

Die bedeu­tend­ste Aktiv­ität inten­tionalen Ler­nens ist das Üben des Hör-ver­ste­hens, die fast zwei Drit­tel der befragten Kinder und Jugendlichen hoch fre­quent – knapp die Hälfte sog­ar täglich bis mehrmals die Woche – ausüben. Ganz im Sinne der oben aus­ge­führten Anforderun­gen an einen opti­malen Input lassen sich die Angaben der Schüler*innen zu den dabei ver­wen­de­ten Medi­en lesen: Bei älteren sind es v. a. für diese inhaltlich inter­es­sante und rel­e­vante authen­tis­che audi­tive und audio-visuelle Medi­en wie Songs und Videos von Plat­tfor­men wie YouTube oder Stream­ing-Dien­sten. Zur Bewäl­ti­gung des authen­tis­chen Inputs, so zeigen die Angaben der Schüler*innen, set­zen sie dabei mehrheitlich die wertvollen Möglich-keit­en des Scaf­fold­ing durch Zurück­spulen oder Anhal­ten als Ver­ste­hensstrate­gien ein (vgl. ebd., S. 180–186). Zudem unter­stützt das Üben mit Videos, dass der audi­tive Sprach-Input noch durch par­alin­guis­tis­che Ele­mente bere­ichert wird, was im Sinne eines Com­pre­hen­si­ble Inputs ins­beson­dere förder­lich für Lis­ten­ing und Com­pre­hen­sion Skills ist (vgl. Pemberton/Fallahkhair/Masthoff 2004, S. 30f.). Während ältere (Mit­tel- und Ober­stufen-) Schüler*innen deut­lich häu­figer authen­tis­che Medi­en nutzen, ver­wen­den nur die der Unter­stufe dig­i­tale Lern- und Übungsange­bote auf Plat­tfor­men, wie Sofatu­tor oder Scoyo, und Soft­ware, die eigens für diesen Zweck gestal­tet wur­den, bspw. beglei­t­end zum Lehrw­erk – angesichts des Kom­pe­ten­zniveaus, auf dem diese sich noch befind­en, ist auch dieser Umstand ganz im Sinne eines für sie opti­malen Inputs. Ihre Angaben zu den Effek­ten, die ihre Bemühun­gen hier erzie­len, bestäti­gen deren the­o­retis­che Poten­ziale, beson­ders in den Bere­ichen Hörver­ste­hen (80 %), Aussprache (76 %), Wortschatz (61 %) und Sprechen (59 %) (vgl. Uhl 2020, S. 181–184).

Auch das Üben des Lesens bzw. Lesev­er­ste­hens ist eine für fast die Hälfte der Befragten rel­e­vante und als effek­tiv ange­se­hene Prak­tik inten­tionalen informellen Ler­nens, die jed­er Vierte sog­ar täglich bis mehrmals die Woche, knapp jed­er Fün­fte mehrmals im Monat aus­führt. Hierzu wer­den eben­falls häu­figer authen­tis­che Tex­tres­sourcen wie Inter­net­seit­en und E‑Books herange­zo­gen, v. a. von älteren, wobei hier auch Schüler*innen der Mit­tel-stufe auf Lern­soft­ware zurück­greifen, was die Jüng­sten wieder am häu­fig­sten tun. Aktiv­itäten dieser Art schreiben die Lern­er beson­ders Effek­te in den Bere­ichen Wortschatz (76 %), Lesev­er­ste­hen (58 %) und flüs­siges Lesen (50 %) zu, auch Rechtschrei­bung (45 %) und Gram­matik (32 %) wer­den genan­nt (vgl. ebd., S. 174–179).

Zudem beschaf­fen sich die Schüler*innen über ihre Smart­phones Infor­ma­tio­nen unter­schiedlich­er Art: Die sehr große Mehrheit (90 %) macht zu Recherchezweck­en im Zusam­men­hang mit dem Englis­chler­nen v. a. von Such­maschi­nen und darüber gefun­de­nen Inter­net­seit­en und Videos Gebrauch, mehrheitlich sog­ar sehr regelmäßig: über ein Drit­tel mehrmals im Monat, ein Fün­f­tel sog­ar täglich bis mehrmals die Woche. Zur nach­halti­gen Sicherung der recher­chierten Infor­ma­tio­nen dienen den Lern­ern gele­gentlich Screen­shots und hand­schriftliche Noti­zen sowie Leseze­ichen und gespe­icherte Links (vgl. ebd., S. 186–191).

Um unbekan­ntes Vok­ab­u­lar nachzuschla­gen, kon­sul­tiert eine Zwei­drit­tel-mehrheit der Schüler*innen, darunter kaum welche aus der Unter­stufe, hochfre­quent meist zweis­prachige dig­i­tale Wörter­büch­er-Apps oder ‑Web­seit­en. Ein­sprachige Dic­tio­nar­ies oder solche mit Ton ver­wen­den gele­gentlich nur Oberstufenschüler*innen, Mäd­chen noch häu­figer als Jun­gen. Dass die Möglichkeit, die von Native Speak­er gesproch­ene laut­liche Repräsen­ta­tion eines Wortes anzuhören, ins­ge­samt eher ungenutzt bleibt, ist bedauer­lich, denn hier geht ein klar­er Ben­e­fit dieser Medi­en ver­loren. Der Google-Über­set­zer dage­gen ist mehrheitlich bei Schüler*innen der Mit­tel- und beson­ders der Unter­stufe beliebt. Beim Nach­schla­gen unbekan­nter Wörter ist es für ins­ge­samt 44 % gängige Prax­is, dies dann auch nach­haltig zu sich­ern, beson­ders durch hand­schriftlich­es Notieren (vgl. ebd., S. 191–198).

Ob mit oder ohne anschließen­der Sicherung: Der Umgang mit Wörter­büch­ern kann in viel­er­lei Hin­sicht pos­i­tive Effek­te für FSE bzw. FSL bewirken: Er fördert indi­vid­u­al­isierte Vocab­u­lary Acqui­si­tion, hil­ft Fremdsprachenlerner*innen beim Ver­ste­hen von sprach­lich über deren Niveau liegen­dem Input und ermöglicht ihnen die selb­ständi­ge, an ihren indi­vidu­ellen Bedürfnis­sen aus­gerichtete rezep­tive und pro­duk­tive Auseinan­der­set­zung mit der FS.

Hil­f­s­mit­tel, deren mehrheitliche und z. T. häu­fig stat­tfind­ende Ver­wen­dung vie­len Lehrer*innen erfahrungs­gemäß nicht zu sehr gefall­en dürfte, sind Über­set­zungs-dien­ste, denn hier drängt sich – ver­ständlicher­weise – die Frage auf, ob diese wirk­lich „nur“ als Hil­f­s­mit­tel einge­set­zt wer­den oder gar eigene Denkprozesse erset­zen: Dienen sie dem Scaf­fold­ing, bspw. zum Über­prüfen selb­st ver­fasster Texte, dem Feed­back zu selb­st geleis­teten Über­set­zun­gen oder ein­er eher reflek­tieren­den, analysieren­den Sprach­be­tra­ch­tung eines Textes, der durch Copy and Paste und Trans­late ent­standen ist, kann deren Nutzung dur­chaus gewinn-brin­gend sein (vgl. ebd., S. 206f.). Let­zt­ge­nan­ntes ist ein dur­chaus denkbares, inter­es­santes und noch an ander­er Steller weit­er zu denk­endes Szenario für den Ein­satz dieser mit­tler­weile sehr guten Tech­nolo­gien im Englis­chunter­richt. 

Eine Aktiv­ität, bei der Über­set­zungs­di­en­ste sin­nvoll einge­set­zt wer­den kön­nen, ist die mehrheitlich aus­geübte, für ein knappes Drit­tel sog­ar häu­figer gängige informelle Pro­duk­tion vor­wiegend schriftlich­er Lern- bzw. Übungs­ma­te­ri­alien. Am häu­fig­sten han­delt es sich dabei um schriftliche und informierende Texte sowie Mind Maps oder Lern­plakate. Auch hier wer­den mul­ti­me­di­ale Möglichkeit­en der Pro­duk­tion von Mate­ri­alien, die mehrere Sinne ansprechen, weniger genutzt, es bleibt weit­ge­hend bei Visu­al­isierun­gen durch Text und Bilder. Schüler*innen aus Mit­tel- und Unter­stufe wid­men sich dabei beson­ders Inhal­ten aus den Bere­ichen Wortschatz und Gram­matik; während Wortschatz unab­hängig vom Alter wichtiger Inhalt bleibt und Mate­ri­alien dazu auch von den ältesten Befragten noch mehrheitlich ange­fer­tigt wer­den, ver­liert Gram­matik mit steigen­dem Alter an Rel­e­vanz zugun­sten lit­er­arisch­er und lan­deskundlich­er Inhalte. Dies lässt sich recht schlüs­sig durch die Inhalte des Lehrplans bzw. die Pro­gres­sion des Englis­chunter­richts erk­lären, wie auch die Tat­sache, dass geschriebene Texte mit steigen­dem Alter häu­figer wer­den – 90% der Oberstufenschüler*innen fer­ti­gen diese an – ins­ge­samt sind diese aber für alle Stufen die mehrheitlich rel­e­van­testen. Ihre Bedeu­tung unter­stre­ichen die Angaben der Befragten zu den Lern­ef­fek­ten, die sie v. a. in den Bere­ichen schriftliche Aus­drucks­fähigkeit, Wortschatz, Rechtschrei­bung und Gram­matik wahr-nehmen, was auch damit zusam­men­hän­gen mag, dass sie hier vornehm­lich Hil­f­s­mit­tel nutzen, die dem Scaf­fold­ing in entsprechen­den Lern­bere­ichen dienen: Neben dig­i­tal­en Wörter­büch­ern zur Ver­feinerung des Aus­drucks sind es v. a. Textver­ar­beitung­spro­gramme, die auch die Schu­lung der Writ­ing Skills begün­sti­gen kön­nen: Sie ermöglichen dem Schreiber nicht nur die Rechtschreibfehlererken­nung, son­dern kön­nen auch als gewinnbrin­gend im Sinne eines prozes­sori­en­tierten, konzep­tionellen Schreibens betra­chtet wer­den, bei dem geschrieben, geän­dert, gelöscht und umgestellt wird. Bei ca. einem Vier­tel aller Alter­sklassen, mehr noch bei den ältesten, kommt nicht zu unter­schätzen­des soziales Scaf­fold­ing durch Kol­lab­o­ra­tion oder Koop­er­a­tion hinzu, denn diese nutzen die Fähigkeit­en der Tech­nolo­gien zum ver­net­zten Ler­nen bzw. Arbeit­en und gestal­ten die Mate­ri­alien auch gemein­sam; geteilt wer­den diese v. a. von Oberstufenschüler*innen (vgl. ebd., S. 216–229). 

Was das Ler­nen und Wieder­holen von Vok­a­beln (vgl. ebd., S. 199–203) sowie das Üben von Gram­matik (vgl. ebd., S. 211–215) oder das Train­ing der Aussprache (vgl. ebd., S. 204ff.) mit mobilen Tech­nolo­gien bet­rifft, so sind dies keine mehrheitlich gängi­gen Prak­tiken: Jew­eils ca. ein Vier­tel bis ein Drit­tel der Schüler*innen, vor­wiegend aus Unter- und Mit­tel­stufe, ler­nen häu­figer so, Erst­ge­nan­nte eher mit Lern­soft­ware bzw. Apps, die Aussprache wieder am häu­fig­sten mit Videos. Ger­ade was die vielfälti­gen Möglichkeit­en der Visu­al­isierung von Wortschatz beim Vok­a­beller­nen bet­rifft, wer­den von den Befragten auch hier die Poten­ziale (noch) nicht erkan­nt – wom­öglich, weil sie noch nicht darauf hingewiesen wur­den bzw. auch ihre Lehrkräfte sie (noch) nicht kennen.

Dass Schüler*innen die sowieso fest in ihren All­t­ag inte­gri­erten Medi­en wie Smart­phones und das Inter­net auch zum informellen Ler­nen nutzen, ist so nahe­liegend wie natür­lich, nicht nur vor dem Hin­ter­grund der Tat­sache, dass dieses generell als eng ver­bun­den mit alltäglich­er Medi­en­nutzung gilt (vgl. Pachler/Cook/Bachmair 2010, S. 2); und dass diese, wenn sie rein freizeit­be­zo­gen ist und kein Ler­nen intendiert, immer häu­figer sowieso auf Englisch stat­tfind­et, ist auch kein Nis­chen­phänomen der „Zock­er­szene“ mehr, son­dern z. T., wie in den Grup­pendiskus­sio­nen deut­lich wurde, ganz nor­mal, da die jun­gen Medien-nutzer*innen die Fremd­sprache ihrer Mut­ter­sprache aus unter­schiedlichen Grün­den bewusst oder unbe­wusst vorziehen. So kommt es im medi­alen All­t­ag von Schüler*innen sehr häu­fig auch zu ganz natür­lichen Sprach­lern­begeg­nun­gen mit dem Englis­chen, bei denen sie inzi­den­tell und/oder impliz­it bzw. immer­siv – und ihrer Ansicht nach z. T. sog­ar bess­er bzw. mehr – ler­nen. Bei welchen Aktiv­itäten dies nun der Fall ist, wird im näch­sten Abschnitt erläutert.  

 

2.2 Let‘s play! Inzi­den­telle & implizite Sprach­lern­begeg­nun­gen bei der freizeit­be­zo­ge­nen Mediennutzung

Die Begeg­nun­gen mit der englis­chen Fremd­sprache, bei denen beson­ders Schüler*innen ab der Mit­tel­stufe mal mehr und mal weniger bewusst, oft auch gän­zlich unbe­wusst und damit impliz­it ler­nen (vgl. Uhl 2020, S. 296ff.), sind vielfältig und find­en z. T. häu­fig statt. Inter­es­sant ist dabei, dass bei vie­len Aktiv­itäten, die zunächst eigentlich gar kein Ler­nen intendieren, sehr häu­fig eine solche Inten­tion entste­hen kann: Bei diesen Momenten informellen Ler­nens han­delt es sich um inzi­den­telle Sprach­lern­begeg­nun­gen, bei denen die Aufmerk­samkeit der jun­gen Medi­en­nutzer nicht mehr nur der Aktiv­ität selb­st gilt, son­dern diese auf sprach­liche Aspek­te ges­teuert wird. Dies geschieht am häu­fig­sten aus der Inten­tion her­aus, etwas bess­er (oder über­haupt) und aus dem gegebe­nen Kon­text ver­ste­hen zu wollen, z. B. wenn sie ein Video oder einen Hör­text ein Stück zurück­spulen, um Gesagtes noch ein­mal anhören zu kön­nen. Ein solch­es Ver­hal­ten stellt eine – wie oben beschrieben – zen­trale Ver­ste­hensstrate­gie dar, die eine selb­st­ges­teuerte Rezep­tion des für den FSE so zen­tralen com­pre­hen­si­ble input ermöglicht. Die Schüler*innen bestäti­gen dies­bezüglich, dass bei solchen Aktiv­itäten vor allem ihre rezep­tiv­en Fähigkeit­en geschult, aber auch ihre Wortschatzken­nt­nisse erweit­ert wür­den. Let­zteres prof­i­tiere v. a. ein­er stärk­er dem expliziten Ler­nen entsprechen­den Strate­gie, dem Nach­schla­gen von Wortschatz, das häu­fig aus einem echt­en Lern­in­ter­esse resul­tiert, wenn Schüler*innen wis­sen möcht­en, was ein bes­timmtes Wort heißt, das sich nicht aus dem Kon­text erschließen lässt (vgl. Uhl 2020, S. 283ff.; S. 304–307).

Was die ins­ge­samt etwas weniger häu­fig auftre­tenden, gän­zlich impliziten Sprach­lern­begeg­nun­gen bei der Medi­en­nutzung bet­rifft, die sowohl in ihrem Prozess, als auch in ihrem Lern­re­sul­tat unbe­wusst bleiben, so stellte sich her­aus, dass sich deren Lern­ef­fek­te über­wiegend in impliziten sprach-pro­duk­tiv­en Fähigkeit­en man­i­festieren, die auch Wortschatz und Gram­matik mitein­schließen (Vgl. ebd., S. 302f.; S. 316f.). Die bedeu­tend­sten Aktiv­itäten der freizeit­be­zo­ge­nen Nutzung, bei denen ein solch­es Ler­nen geschieht, wer­den nun vorgestellt.

Zunächst ist die – bei mehr als die Hälfte der Befragten sog­ar täglich bis mehrmals wöchentlich stat­tfind­ende – Nutzung von Online-Dien­sten, Soft­ware, Apps o. Ä., die von Haus aus nur die englis­che Sprache nutzen, mehrheitlich fest im All­t­ag der Schüler*innen ver­ankert. Die Schüler*innen schätzen ihren alltäglichen Umgang mit diesen Anwen­dun­gen – z. B. Musik- und Video-Stream­ing-Plat­tfor­men oder Online-Games – als sehr effek­tiv ein; dass dieser auch tat­säch­lich Lern­er­folge nach sich ziehen dürfte, mag nicht zulet­zt in ihrer intrin­sis­chen Moti­va­tion begrün­det liegen, den jew­eili­gen Input zu ver­ste­hen, allein schon, um die Medi­en nutzen zu kön­nen (vgl. ebd., S. 230ff.).

Am häu­fig­sten und facetten­re­ich­sten kommt es allerd­ings bei der Rezep­tion englis­chsprachiger Medi­en, durch die User den für FSE so bedeu­ten­den authen­tis­chen Input erhal­ten, zu Sprach­lern­begeg­nun­gen. Das unten­ste­hende Dia­gramm (vgl. Abb. 2) zeigt, noch ohne einzelne Medi­en zu dif­feren­zieren, dass fast drei Vier­tel der Befragten täglich bis mehrmals wöchentlich Medi­en in der Fremd­sprache rezip­ieren: (Vgl. ebd., S. 233ff.)

 
Dass die Schüler*innen diese auch mehrheitlich teilen, dürfte wiederum dazu beitra­gen, dass auch deren soziales Umfeld noch häu­figer solche Sprach­lern-begeg­nun­gen erfährt (vgl. ebd.). Zudem kann das Teilen der Medi­en zu der unter 1.1 beschriebe­nen verän­derten Rolle des Pro­dusers oder Pro­sumers und damit zur Kreation User- bzw. Learn­er-gen­er­at­ed Con­tent und Con­texts führen, was allerd­ings nicht Gegen­stand der Unter­suchung war. 

Von allen Medi­en am höch­sten im Kurs ste­hen Videos, deren Rezep­tion sehr häu­fig erfol­gt (bei 55 % täglich bis mehrmals die Woche und 22 % wöchentlich bis mehrmals im Monat) und die als äußerst effek­tiv eingeschätzt wird (vgl. Abb. 3): 

In den Bere­ichen Hörver­ste­hen und Aussprache schreiben die Schüler*innen dem freizeito­ri­en­tierten Anse­hen von Videos annäh­ernd starke Effek­te zu wie dem intendierten Üben des Hörver­ste­hens, beim Wortschatz sog­ar stärkere. Die beson­ders starke intrin­sis­che Moti­va­tion der Rezipient*innen, dem Inhalt eines Videos, z. B. ein­er span­nen­den Hand­lung, zu fol­gen, kann zu einem regel­recht­en Ein­tauchen in dieselbe führen, und somit auch in die Sprache, über die diese ver­mit­telt wird – die Gespräche mit den Teilnehmer*innen der Grup­pendiskus­sio­nen sug­gerieren solche immer­sive Lern­prozesse. Die Präsenz zahlre­ich­er par­alin­guis­tis­ch­er Fak­toren wie Hand­lung, Into­na­tion und Kör­per­sprache, die den Prozess des Dekodierens sprach­lich­er Äußerun­gen unter­stützen (vgl. Böttger 2016, S. 135) und so den Input (more) com­pre­hen­si­ble machen, dürfte ein solch­es Ein­tauchen enorm begün­sti­gen. Häu­fig trägt aber auch der Ein­satz von Ver­ste­hensstrate­gien wie dem Anhal­ten oder Zurück­spulen sowie dem Aktivieren des englis­chen Unter­ti­tels dazu bei, den oft flüchti­gen Sprach­in­put more com­pre­hen­si­ble zu machen; im Zusam­men­hang mit diesen Hand­lung­sprak­tiken bei der Rezep­tion wirken implizite mit inzi­den­tellen Sprach­lern­prozessen zusam­men (vgl. Uhl 2020, S. 240–244). 

Ähn­liche Strate­gien nutzen Schüler*innen auch beim Hören von Songs, der zwei­häu­fig­sten Aktiv­ität, bei der es zu inzi­den­tellen und impliziten Sprach­lern­begeg­nun­gen kommt; und dieses wird eben­falls als annäh­ernd bzw. zum Teil sog­ar noch effek­tiv­er betra­chtet als das inten­tionale Üben dieses Skills (vgl. ebd., S. 245–250). 

Während bere­its die bei­den im Vor­ange­gan­gen beschriebe­nen Aktiv­itäten in Sachen Lern­er­folg dem inten­tionalen Ler­nen Konkur­renz machen, so schafft es das Lesen englis­ch­er Texte – meist Song­texte, Social-Net­work- und unter­schiedliche, über­wiegend unter­hal­tende Web­seit­en – das gezielte Üben des Lesens und Lesev­er­ste­hens dies­bezüglich vol­lends in den Schat­ten zu stellen: In vier Bere­ichen (Wortschatz, Lesev­er­ste­hen, flüs­siges Lesen und Rechtschrei­bung) schreiben die Schüler*innen dem freizeit­be­zo­ge­nen Lesen eine deut­lich höhere Effek­tiv­ität zu (vgl. ebd., S. 235–239).

Je älter die Jugendlichen sind, umso häu­figer öffnet das Spie­len von Video-Spie­len Räume für informelle Sprach­lern­begeg­nun­gen, in denen Sprach-gebrauch sit­u­a­tiv, sinns­tif­tend und unmit­tel­bar an das aktive Han­deln der Spieler*innen ange­bun­den ist. Diese Fak­toren begün­sti­gen implizites und immer­sives Ler­nen in ähn­lich­er Weise, wie es oben bei der Vide­o­rezep­tion beschrieben wurde. Dafür, dass der­ar­tige Lern­prozesse beim Spie­len noch sehr viel häu­figer stat­tfind­en, spricht u. a., dass die Befragten angaben, kaum auf Tech­niken oder Hil­f­s­mit­tel zur Bewäl­ti­gung des sprach­lichen Inputs zurück­zu­greifen. Diesem begeg­nen sie dabei meist in Form von geschrieben­er Sprache, wobei die Menü- bzw. Spiel­sprache Haupt-Input-Quelle ist. Zwei Drit­tel der Jun­gen wer­den auch mit gesproch­en­er Sprache kon­fron­tiert, was dop­pelt so häu­fig ist wie bei Mäd­chen und sehr wahrschein­lich damit zusam­men­hängt, dass Jun­gen deut­lich häu­figer auch mündliche Unter­hal-tun­gen mit Mit­spiel­ern führen, bspw. im Mul­ti­play­er-Modus. Wenn Unter- und Mittelstufenschüler*innen beim Fort­nite Spie­len gemein­sam Türme bauen oder Vertei­di­gungstak­tiken pla­nen, müssen sie eben­so wie ältere, z. B. bei Glob­al Games wie World of War­craft oder Coun­ter­strike, koop­er­a­tiv Auf­gaben erledi­gen, Prob­leme lösen oder Strate­gien disku­tieren; dabei entste­ht ein Aus­tausch, der nicht nur notwendig ist, um im Spiel voranzuschre­it­en, son­dern auch intrin­sisch motiviert. Wom­öglich auch auf­grund ihrer vari­anten­re­icheren Sprach­lern­begeg­nun­gen nehmen Jun­gen in sämtlichen Kat­e­gorien sehr viel häu­figer Lern­er­folge wahr; beson­ders auf­fäl­lig ist dies in den Bere­ichen Hörver­ste­hen, Aussprache und Sprechen, was sich sehr wahrschein­lich auf die bei ihnen deut­lich häu­figer stat­tfind­en­den mündlichen Kon­ver­sa­tio­nen zurück-führen lässt (vgl. ebd., S. 250–256).

Englis­che Kon­ver­sa­tio­nen mit Natives und Non-Natives, so stellte sich her­aus, wer­den generell v. a. schriftlich geführt, über Mes­sen­ger, Social-Media-Apps und ver­mehrt bei Jun­gen auch in Cha­t­rooms oder anderen Online-Com­mu­ni­ties, von ca. einem Drit­tel der Befragten auch häu­figer (vgl. ebd., S. 258–263). Kom­mu­nika­tiv­er Sprachge­brauch in einem solch authen­tis­chen, per­sön­lich-bedeut­samen sozialen Kon­text gilt nicht nur unter den Schüler*innen als eine der effek­tivsten Aktiv­itäten informellen Ler­nens (vgl. ebd., S. 265–268): „Sprachen-ler­nen ist […] Beziehungsler­nen“ (Böttger 2016, S. 155), wobei ihren Angaben nach – vor allem in impliziten Lern­prozessen –sowohl rezep­tive als auch pro­duk­tive Skills stark gefördert wer­den. 

Let­zt­ge­nan­nte benötigt eine Mehrheit der Befragten, wenn diese – wenn auch sel­tener– selb­st pro­duk­tiv wer­den und Medi­en unter Ver­wen­dung der englis­chen Sprache kreieren. Bei diesen han­delt es sich haupt­säch­lich um schriftliche infor­ma­tive und unter­hal­tende Texte (z. B. Fan-Fic­tion) sowie Text-Bild-Kom­bi­na­tio­nen (z. B. Memes), Comics, Lieder und Gedichte; ältere Schüler*innen schreiben auch gele­gentlich Beiträge in eige­nen Blogs oder Inter­net­seit­en, während jün­gere häu­figer mul­ti­modale For­mate wie Videos pro­duzieren.
Bei der sprach­lichen Gestal­tung dieser Medi­en, die sie auch mit anderen erstellen oder teilen, geben beson­ders dig­i­tale Wörter­büch­er sowie Autoko­r­rek­tur-Funk­tio­nen Scaf­fold­ing. Dass diese Hil­f­s­mit­tel genutzt wer­den, dürfte auch damit im Zusam­men­hang ste­hen, dass die Befragten Aktiv­itäten dieser Art als ins­ge­samt effek­tivste für eine Schu­lung von Skills in den Bere­ichen Schreiben, Rechtschrei­bung und Gram­matik ein­schätzen (vgl. Uhl 2020, S. 268–279).

Vor dem Hin­ter­grund der im Vor­ange­gan­genen dargestell­ten informellen Hand­lung­sprak­tiken drängt sich – nicht nur Fremdsprachendidaktiker*innen, son­dern auch Schüler*innen – die Frage auf: So what about school? 

 3. So what about school? 

Die Erken­nt­nisse zu den zahl- und facetten­re­ichen informellen Sprach­lern-begeg­nun­gen von Schüler*innen mit dem Englis­chen bestäti­gen nicht nur, dass viele Poten­ziale, die mobile Tech­nolo­gien für FSE bzw. FSL bergen, bere­its in deren Lern­welt All­t­ag wirken, son­dern deuten auch auf wertvolles Out­come hin: Bei ihren Ein­schätzun­gen bzgl. der so erwor­be­nen Kom­pe­ten­zen macht­en die Befragten auch deut­lich, „[…] dass [sie] daraus teil­weise sog­ar bess­er ler­nen als im Unter­richt“ (ebd., S. 373) und sie das Gel­ernte häu­fig als nüt­zlich­er, anwend­bar­er und auch nach­haltiger werten als jenes aus dem schulis­chen Englis­chunter­richt (vgl. ebd., S. 372). Ihren sehr reflek­tierten Auseinan­der­set­zun­gen im Zuge der Grup­pendiskus­sio­nen ließen sich auch Gründe für solche Ein­schätzun­gen ent­nehmen: Neben der häu­fig zu starken Fokussierung auf for­males Regel­wis­sen im Unter­richt sowie dessen Einübung durch Pat­tern Drill statt der Anwen­dung im sit­u­a­tiv­en Sprachge­brauch (vgl. ebd.) sehen die Schüler*innen vor allem einen Zusam­men­hang damit, dass sowohl Inhalte und Ziele, als auch die ver­wen­de­ten Medi­en und Meth­o­d­en an Authen­tiz­ität und somit Lebenswelt­bezug ver­mis­sen lassen.

Vor dem Hin­ter­grund ein­er zunehmenden Kluft zwis­chen der Lern­welt All­t­ag von Kindern und Jugendlichen und dem ver­mehrt ent­fremde­ten Ler­nort Schule scheint es an der Zeit, deren informelle Hand­lung­sprak­tiken und so auch die dabei zen­tralen Medi­en im for­malen Kon­text zu berück­sichti­gen. Diese kön­nen als Schnittstelle fungieren, die dazu beiträgt, den Gap zu ver­ringern und Englis­chunter­richt auf einen zeit­gemäßen Stand zu brin­gen – ganz abge­se­hen davon, dass es schlichtweg ein Ver­säum­nis wäre, die vie­len, oben bere­its exem­plar­isch ange­führten Poten­ziale der Tech­nolo­gien für die Fremd­sprachen­di­dak­tik ungenutzt zu lassen. 

Die Erken­nt­nisse zu den informellen Hand­lung­sprak­tiken der Schüler*innen bieten nun v. a. fol­gende, noch all­ge­mein gehal­tene, in kein­er Weise Voll­ständigkeit beanspruchende und noch weit­erzu­denk­ende method­isch-didak­tis­che Ansatzpunk­te für die Konzep­tion von Ansätzen bzw. Auf­gaben-for­mat­en, die zu ein­er Aktu­al­isierung schulis­chen Englis­chler­nens beitra­gen kön­nen. Beson­ders der Ein­satz authen­tis­ch­er Medi­en – ob als Ergänzung oder gar Ersatz des Lehrw­erks – sowie authen­tis­chen Sprach­in­puts scheint hier­bei zen­tral- Die Poten­ziale authen­tis­chen Inputs hin­sichtlich eines ver­mehrt selb­st­ges­teuerten und das Klassen­z­im­mer öff­nen­den Ler­nens, wur­den oben bere­its beschrieben, wie auch die für echte Indi­vid­u­al­isierung und Dif­feren­zierung: Im Umgang mit authen­tis­chen, möglichst noch ver­net­zten und nicht lin­earen Medi­en kann Ler­nen und Arbeit­en sowohl auf inhaltliche Inter­essen und kom­pe­tenzbe­zo­gene Bedürfnisse abges­timmt wer­den, als auch unter­schiedliche Lern­stile und die jew­eils damit ver­bun­de­nen ‑strate­gien immer het­ero­gen­er zusam­menge­set­zter Lern­grup­pen berück­sichtigt wer­den. Die Funk­tio­nen, Tools und Hil­f­s­mit­tel des Medi­en­ver­bunds zum selb­st-ges­teuerten Umgang mit authen­tis­chen Con­tent und Sprache erschöpfen sich lange nicht in Lern- und Arbeit­stech­niken bei der indi­vidu­ellen Rezep­tion oder sprach­lichem Scaf­fold­ing in pro­duk­tiv­en und kreativ­en Szenar­ien. Explo­ratives, selb­st­ges­teuertes, Inter­essen geleit­etes und bedürfnisori­en­tiertes Ler­nen wird durch sie erst ein­mal möglich; alleine die Anbindung an das World Wide Web ermächtigt Lerner*innen und auch Lehrer*innen zu sehr viel mehr Hand­lungs-fähigkeit, wenn sie bere­its selb­st eine Auswahl aus dem weitre­ichen­den glob­alen Ange­bot authen­tis­chen Inputs tre­f­fen können.

Ein weit­er­er method­isch-didak­tis­ch­er Anker­punkt ist ein ver­mehrt pro­duk­tiv­er bzw. pro­duk­tion­sori­en­tiert­er Umgang mit Medi­en und Sprache: Gestal­tungs-werkzeuge, die als Apps sowie Brows­er-Anwen­dun­gen bere­it­ste­hen, ermöglichen trotz ein­fach­er, meist intu­itiv­er Bedi­enung die Pro­duk­tion unter­schiedlich­er, in ihrer Gestal­tung sehr pro­fes­sionell anmu­ten­der Medi­en wie Videos, Hör­texte, Com­ic-Strips oder Car­toon-Videos. Solch pro­duk­tive Aktiv­itäten, bei denen die Schu­lung mündlich­er und schriftlich­er sprach-pro­duk­tiv­er Fähigkeit­en mit der von kreativ-ästhetis­chen Gestal­tungs-kom­pe­ten­zen ein­herge­ht, kön­nen in zahlre­ichen Szenar­ien des Fremd-sprache­nun­ter­richts eine Rolle spielen.

Und last but not least sind die vielfälti­gen Möglichkeit­en, die mobile Tech­nolo­gien für koop­er­a­tives und kol­lab­o­ra­tives sowie soziales Ler­nen bieten, sehr zen­trale Anker­punk­te für method­isch-didak­tis­che Über­legun­gen: Die Ver­net­zung von Lerner*innen und Inhal­ten ermöglicht authen­tis­che, inhalts­be­zo­gene Kon­ver­sa­tio­nen und mean­ing­ful inter­ac­tion über Lern­räume und ‑zeit­en hin­aus, bspw. über Mes­sen­ger oder Soziale Medi­en, auch mit Natives, wodurch inter- und crosskul­turelle Kon­tak­te entste­hen kön­nen, wie sie die Schüler*innen bere­its im informellen Kon­text pfle­gen. Die Plat­tform eTwinning.org kann für die Anbah­nung solch­er Kon­tak­te ein ide­al­er Anlauf­punkt sein, denn hier ver­net­zen sich bere­its Klassen bzw. Schüler*innen aus über 200.000 Schulen in Europa in ein­er Lernge­mein­schaft, um sich auszu­tauschen, zu kooperieren oder sich in Pro­jek­ten zu engagieren.

Diese ersten, wenig ela­bori­erten Über­legun­gen sollen zu einem Trans­fer anre­gen, der ein­er Inte­gra­tion informeller Hand­lung­sprak­tiken durch die Entwick­lung konkreter Auf­gaben­for­mate ent­ge­genkommt, was nicht nur dem weit­eren Vorhaben der Autorin dieses Beitrags, son­dern auch den Wün­schen unser­er Schüler*innen entspricht. Denn auch, wenn deren außer­schulis­che Medi­en­nutzung bere­its einen zen­tralen Beitrag zu deren fremd­sprach­lichen Kom­pe­ten­zen leis­tet, so möcht­en auch sie nicht auf Englis­chunter­richt verzicht­en, wie die fol­gen­den Worte eines Mit­tel­stufen­schülers zeigen: 

„[…] Also die Medi­en­nutzung verbessert das Ganze, aber […] ohne Schule, ohne Englis­chler­nen durch eine Lehrerin oder einen Lehrer, geht es nicht […].“ (Ebd., S. 376)